Revista bilingüe mitt Zweisprachiges Magazin Fundada como Mitteilungsblatt en 1932

Septiembre 2021 / No. 708   Mitt

Die mächtigste Nonne ihrer Zeit

Die Heilige Hildegard von Bingen war eine deutsche Nonne, die den kulturellen Horizont ihrer Zeit, des frühen Mittelalters, durchbrach.

Hildegard ist im Kontext des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aufgewachsen und entwickelte sich zur einflussreichsten Frau des geistigen Mittelalters. In einer dunklen Zeit, in der die Frauen kein Gehör oder gar Aufmerksamkeiten erfuhren, wurden auch ihre geistigen und intellektuellen Bestrebungen durch die Kirche ignoriert.

Hildegard gründete schließlich das Kloster Rupertsberg, wo sie 18 Ordensschwestern vorstand. “Äbtissin zu werden war für mich schon immer eine Tatsache”, so ihre eigenen Worte, mit denen sie sich nicht etwa ihren Ehrgeiz vor Gott zeigte, sondern viel eher dem Jahrhundert zu Ehre gebührte. Dem Orden des Sankt Benedikt versprochen, war sie Komponistin, Schriftstellerin, Philosophin, Naturliebhaberin, Ärztin, Polymathin, Äbtissin, Mystikerin, Klostervorsteherin und deutsche Prophetin. Sie war auch als die Sybille vom Rhein bekannt oder auch die teutonische Seherin.

 

Mit einer hohen Intelligenz und besonderen Kultur und Ausbildung ausgestattet, wollte sie neben dem religiösen Leben und Studium stets mehr lernen und ihr Wissen in allen Bereichen erweitern. Hildegard richtete sich nach der Gregorianischen Reform an deren Vorgaben. Sie war die produktivste Schriftstellerin ihrer Zeit. Sie trat zunächst als säkulare Laienschwester in das Kloster von Disibodenberg ein, wo sie Schülerin von Jutta von Spanheim war, eine 6 Jahre ältere Nonne, die Hildegard im Geist und ihrem ästhetischem Empfinden sehr beeinflusste.

 

Im Jahre 1136 übernahm Hildegard die Position von Jutta von Spanheim. Theoderich von Echternach berichtet über das Leben der Heiligen Hildegard, dass Jutta von Spanheim sie im Umgang des Salterios, einer Art Zither, unterrichtet habe, aber auch in der lateinischen Literatur, der Heiligen Schrift und den gregorianischen Gesängen und sie bei ihr die Schönheit der Psalmen Davids erfahren habe. 

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In einem Abschnitt ihrer Autobiographie erzählt Hildegard, dass sie Lieder und Melodien komponiert habe, um Gott und alle Heiligen zu ehren, obwohl sie niemals eine musikalische Ausbildung erhalten habe, und dass sie Musik interpretiere, ohne Gesang oder Instrumente studiert zu haben. 

 

Ihr musikalisches Werk ist sehr umfangreich: es beinhaltet 78 Kompositionen, aufgeteilt in die Symphonia armonie celestium revelationum (Sinfonie der Harmonie der himmlischen Offenbarungen) von 1140-1150. Diese Sinfonie bestand aus 43 Wechselgesängen, 17 Antwortgesängen, 8 Hymnen, einem Kyrieeleison, einem freien Stück und 7 Messesequenzen. Außerdem komponierte sie ein autosakramentales Werk, das Ordo Virtutum von 1150.

 

Die Musik Hildegards war sehr neu für ihre Zeit. Während der gregorianische Gesang sich in einer Oktave bewegt, nutzte Hildegard in ihren Kompositionen 2 Oktaven. Ihre Melodien entwickeln sich im Einklang mit den Texten, die eine tiefe Religiosität aufweisen. Neben ihrem musikalischen Schaffen malte sie ausgezeichnete Miniaturen, mit denen sie ihre Bücher, Schriften, Hymnen, Antiphonen und Lieder illustrierte und untermalte. Werke, die in den Klöstern gesungen und gespielt wurden und die sicherlich eine unbeschreibliche Ruhe ausströmten.

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Sie war ohne Zweifel die Komponisten mit dem umfangreichsten Werk des Mittelalters. Ihr Werk umfasst auch eine visionäre Trilogie, die sich aus den Stücken: Scivias, dem Buch der Verdienste des Lebens und dem Buch der göttlichen Werke zusammensetzt. Neben ihrem musikalischen Werk hat sie auch geschrieben: medizinisch-naturistische Schriften, einen ausführlichen Briefwechsel und eine Lingua ignota.

 

Sie begann sich dem Schreiben im Alter von 43 Jahren zuzuwenden, als sie eine Eingebung hatte und sie hörte, wie eine Stimme ihr ins Ohr flüsterte: “Sag und schreib, was du siehst und hörst!” Dies war für Hildegard eine Bestätigung ihres Tuns, denn sie schreib bereits seit dem sie 40 Jahre alt war an ihrem Leben.

 

Ihre Visionen machten viele Künstler dieser Epoche auf sie aufmerksam. U.a. sind etwa 10 Visionen Hildegards in einem außergewöhnlich schön illustrierten Manuskript von Lucca erhalten. Diese Miniaturen schmücken heute die Titelseiten der Produktionen ihrer Musik.

 

Hildegard lernte auch über Botanik, Behandlungen durch Naturprodukte und eine komplexe Sichtweise und Behandlungsformen der Medizin, in dem sie die Natur beobachtete. Dies können wir in ihrem Buch über die Besonderheiten der verschiedenen Naturerscheinungen der Schöpfung nachlesen. Wissenschaftler bestätigen, dass ihre Biographie weiterhin als Zeugnis für das Aufeinandertreffen des Heiligen mit dem Weltlichen steht, es steht aber auch für die Macht und die Schlichtheit, das Empfinden und das Geistliche, die Erforschung der Umwelt und das Vorwissen.

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Aufgrund ihres 800. Todestages ist Hildegard von Johannes Paul II. wiederentdeckt worden. Er sprach von ihr als Prophetin und Heilige. Ebenso beschrieb Papst Benedikt XVI Hildegard als eine Heilige und wies ihr einen Platz unter den großen Frauen der Christenheit zu. Am 7. Oktober 2012 ist sie offiziell mit dem Titel der Doktorwürde der Kirche ausgezeichnet worden, ein Titel, den bis heute nur 35 Christen tragen.

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